Modellbau ist tot?
Aber sowas von. Auch hier hat das Computerzeitalter seine Spuren hinterlassen. Angeblich interessieren sich die Jugendlichen und auch älteren Semester nicht mehr für so spießige Dinge wie Modellbau. Und das ist an Produzenten wie Herpa, Wiking, Fleischmann, Trix etc. abzulesen. Ich bin und war bekennender Modellbauer. Ich liebe es kleine Welten, idealisierte Abbilder der Wirklichkeit, zu erschaffen. Ein Diorama, welches eine kleine Geschichte erzählt. Meine Dioramen, stets in 1zu87, spielten oft in der Vergangenheit. Eine Zeit in der ich nicht mal lebte. Die 70er oder 80er. Strandszenen im Holland der 70er, verfallene Werkstätten, verlassene Autos in der Wildnis, eine verschneite Großstadt mit einer Vielzahl von kleinen Details. Ja., daran konnte ich mich stundenlang erfreuen. Beim Bau und beim Betrachten. Einfach davor sitzen und Geschichten spinnen. Was die kleinen Preiserlein (der Kosename für Miniaturmenschen um Eisenbahnformat – benannt nach dem bekanntesten Hersteller) wohl machen würden wenn ihr alter Knudsentaunus nicht eingeschneit wäre? Ob der arrogante Typ mit der Gitarre und dem BMW 2002 wohl die heiße Badenixe abschleppt?

Immer habe ich mir schon beim Bau eine Geschichte überlegt. Viele Modellbauer sind eher Phantasielos und bauen streng nach Vorbildern. Weicht man davon ab ist man unten durch. Spinner! Ich baute nach Phantasie. Was könnte sein? Was spielt sich dort ab? Was beschäftigt mich gerade? Auffällig war immer, das die Gebäude und Autos die ich baute stets unperfekt waren. Patina war das Zauberwort. Ich könnte natürlich eine wunderschöne alte Scheune mit nem restaurierten Porschetraktor bauen. Aber ist es nicht viel interessanten eine verfallene Ruine zu sehen. Aus verwitterten Echtholz (in diesem Maßstab Balsaholz) in der, begraben unter Müll, ein zerfledderter Mercedes Flügeltürer auf sein zweites Leben wartet? Ist eine von Schneematsch durchsetzte, dunkle Straßenszene nicht authentischer als drei glückliche Skiläufer in den glitzernden Alpen?

Naja. Warum schreibe ich diesen Artikel? Weil ich dem Modellbau den Rücken kehrte. Eher aus finanziellen Gründen. Ein kleines Grundstück kostete mich mitunter 300 Euro oder mehr. Wenn man alle Teile, Fahrzeuge etc. kaufte. Und das was man kaufte baute man natürlich um. Selbst wenn man auf seinen Fundus zurückgriff war man schnell bei 50 Euro für die fehlenden Kleinigkeiten. Und dabei improvisierte ich schon sehr oft. Alte Dioramen wurden ausgeschlachtet. Alltagsmaterialien verwendet. Man verwendet statt einer teuren Spanplatte als Basis einen großen Schieferbrocken den man beim Spazierengehen findet. Und so weiter. Dieser gibt die Form vor und ist Dekorativer.

Und jetzt? Jetzt mache ich immer noch Modellbau. Allerdings am PC. Ich spiele die SIMS 3. Anfänglich baute ich dort zwar schon recht nette Grundstücke, spielte aber mehr mit den Figuren (Sims). Inzwischen ist das eher nebensächlich. Ich ertappte mich neulich dabei, dass ich in alte Verhaltensmuster verfiel. Ich riss alle Grundstücke der Nachbarschaft nach und nach ab und ersetzte die Gebäude durch Eigenkreationen, welche alle eine Geschichte erzählen sollten. Diese verknüpfte ich dann schriftlich auch mittels kleiner trivialer geschichten die ich aufschrieb und mit Screenshots ergänzte.

Handwerklich ist das ganze natürlich etwas völlig anderes. Modellbau fordert eine gute Feinmotorik, eine sehr ruhige Hand (man stelle sich vor, wie man eine Stecknadelkopfgroße Marlboroschachtel auf das Armaturenbrett eines 3cm kleinen Opel Diplomat klebt ohne Spuren zu hinterlassen). Umgang mit Werkzeugen und so weiter. Der Grundstücksbau bei den Sims ist eher etwas kognitives. Imagination benötigt zwar auch der Modellbau, jedoch muss man auch bei dem Spiel ein gutes Auge für Proportionen haben. Man muss ca. 50 Cheats auswendig können damit man bauen kann wie man will (die Grundversion des Baumodus ist eher primitiv, die Cheats und Tricks ermöglichen einen allerdings einen fast endlosen Spielraum). Man könnte sagen das ich statt des Sekundenklebers Cheat X benutze. Diese sind nun das Werkzeug. Als zweites sind die Möglichkeiten der selbst erstellten Dinge anders. Um einen sogenannten Mesh (also einen neuen Gegenstand) herzustellen, benötigt man spezielle Programmierkenntnisse. Die gehen mir leider ab. Darum kann ich nur auf Downloads zurückgreifen und diese mit dem Editor im Spiel verändern, indem ich neue Texturen und Farbkombinationen einsetze. So kann man aber ganz nette Ergebnisse erzielen. Und das tolle ist: Die Preiserlein auf den Grundstücken kann man dort Leben lassen. Man kann sie bewegen und richtige Geschichten mit ihnen erzählen. Nur das die Preiserlein Sims heißen und das ganze viel weniger kostet. Allerdings kann man es nicht anfassen. Und das ist der größte Makel. Denn die Sims sind noch imaginärer als jedes Diorama...

Beispiel anhand zweier Tankstellen die ich gebaut habe:

(bitte die Links mittels Rechtsklick in einem neuen Tab öffnen)
Modellbau
Sims
Und hier noch ein Gebrauchtwagenhandel.

Also die Gebäude sind komplett selbst entworfen. Jedes Fenster und Jede Textur selbst gesetzt. Ein grundstück benötigt ca. 4 bis 6 Stunden Arbeit. Ein Diorama etwa genau soviel. Die Größen sind Vergleichbar. 40X30 Rastakästchen im Spiel sind ungefähr auf Meter oder cm übertragbar.

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