Mittwoch, 6. August 2008
Jetzt noch leckerererer
Kennt ihr das? Man hat so Rituale. Eingetretene Pfade die einem das Leben angenehmer gestalten und einem Sicherheit geben. Feierabendbier, Zigarette danach, Simpsons gucken, in den Rockpalast gehen und son Zeug halt. Rituale sind auch in der Pädagogik ein wichtiger Faktor. Sie sorgen, wie gesagt, für Sicherheit bei den Kindern, weil der Tag dadurch eine Struktur bekommt. Sie wissen was geschehen wird, auch ohne die Uhr zu können. Sie machen den Tag für die Kinder und Jugendlichen planbar. Zudem sind Rituale bei Gruppenprozessen (Gruppenzugehörigkeit) wichtig, um Gemeinsamkeiten herauszustellen, die die Gruppe von anderen Gruppen unterscheidet. Eine gemeinsame Begrüßung zum Beispiel. Sie sind wie Landmarken auf einer Reise.

Rituale werden auch Angewohnheiten genant. Wobei unter diesem Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch zum Beispiel auch Neurosen und Unarten fallen. Wobei „Unarten“ Auslegungssache sind. Die Zigarette nach dem Essen kann für den einen ein schönes Ritual sein, für den militanten Nichtraucher allerdings eine Unart. Hmm, gut. Das hätte ich für mich also nun auch geklärt.

Zum Thema zurück: Auch ich habe Rituale. Dazu gehört zum Beispiel im Laufe einer längeren Reise mit dem Auto, an einer Tankstelle zu halten und mir einen „Nescafé White“ zu kaufen. Manchmal auch mehrere. Bis neulich folgendes eintrat:

„Wuäh, schmeckt das Zeug komisch. Die werden doch wohl nicht eine neue, noch „bessere“ Rezeptur gefunden haben.“ Sagte ich voller Abscheu. „Oder liegt es daran, dass ich vor ner Stunde die Zähne geputzt habe?“ Dann warf ich einen Blick auf die Flasche. Es lag nicht am Zähneputzen. „Jetzt noch leckerer“ stand höhnisch auf der dezent neu gestalteten Flasche. Eine Frechheit so was. Wer sagt denn das es jetzt noch besser Schmeckt? Nescafé? Die Promotionabteilung? Der Papst? Fakt ist: Es schmeckt nicht mehr wie gewohnt einfach nur billig, sondern einfach nur billig und nach Wallnuss! Und dazu noch dickflüssiger. Was wohl kremig sein soll, aber eher einem Müllermilch Capuccino nahe kommt. Wenn ich den Trinken will, kaufe ich mir einen. Das hat mir die nächsten 10 Minuten kräftig vermiest.

Nun habe ich nur die Möglichkeit mich daran zu gewöhnen oder mir ein neues Ritual einfallen zu lassen. Am besten mit einem Produkt, welches es schon ewig gibt. Schokakola zum Beispiel. Was will man daran noch verbessern?

Andererseits ist es Erschreckend, das mich so eine Kleinigkeit derartig aufgeregt hat. Ist doch nur ein überteuerter, kalter Kaffee! Da ist mir erst bewusst geworden, das es sich um ein Ritual handelte. Denn das ist der Nachteil: Wird einem ein Ritual weggenommen, reist es ein Loch in den Ablauf. Das wird jeder bestätigen können, mit dem nach einer längeren Beziehung Schluss gemacht wurde. In einer Beziehung ritualisiert sich vieles. „Ich liebe dich“ oder „Schatz“ sagen. Der allabendliche Anruf. Gemeinsame Kochaktionen am Donnerstag. Keine Ahnung. So was halt. Und das ist ein weiterer Faktor, warum das Ende einer Beziehung beiden Parteien wehtun kann. Der Schlussmachende leidet nämlich auch oft darunter. Er ist zwar erleichtert den Partner los zu sein, vermisst aber die Gewohnheiten. Und bei dem armen Tropf mit dem Schluss gemacht wurde, kommt das erschwerend hinzu. Nicht nur der Schmerz über den Verlust, sondern bewusst/unbewusst die fehlenden Rituale, die alles nur noch schlimmer machen, indem sie tonnenweise Salz in die Wunde reiben.

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