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Entschleunigung bis zum Stillstand
myspaceopfer | 12. Juli 08 | Topic 'Dumbi Dumbi Dum (Mein Leben)'
Schön und gut. Ich bin ja oft etwas euphorisch wenn ich vom Emsland berichte. Wenn ich das tue, war ich aber auch nur 4 Tage hier! Inzwischen sind es fast zwei Wochen. Ja klar, ich hatte meinen Spaß, und ich hatte auch meine Gründe hier zu bleiben. Und diesen Grund bereue ich weiß Gott nicht! Aber, verdammt noch mal, mir ist wieder bewusst geworden warum ich die Beine in die Hand genommen habe und weggezogen bin!
Mir fällt es schwer dieses Gefühl in Worte zu fassen. Ich versuche es trotzdem:
Ich fühle mich hier auf die Dauer unfrei. Ist man nur einmal im Monat übers Wochenende in der „Heimat“, ist alles ungezwungen. Papa sagt: „Junge, nehm das Auto, fahr ne Runde.“ Oder man geht spazieren. Keine Ahnung. Bleibt man aber länger, fällt einem die Abhängigkeit auf. Kein komfortables Trämchen 101, das vor der Haustür hält und mich bringt, wohin ich will. Stattdessen: Abhängigkeit von einem PKW. Blöd wenn man keinen hat. Also: Abhängigkeit von der Gnade meiner Mitmenschen.
Und hat man mal die Möglichkeit mit dem Auto davonzubrausen, fragt man sich wohin. Man kennt ja schon alles. Also fährt man mehr oder weniger planlos rum. Voll gut fürs Klima und die Geldbörse. Und dann das: Ich habe mehr als einmal erlebt, wie der widerborstige Wagen meines Opas Richtung A31 drängte und ich ihn nur knapp davon abhalten konnte in den Pott zu tuckern.
Zudem die Rolle die man hier innehat: Die des Sohnes. Leider kann ich niemandem Vorwürfe machen. Meine Ma ist nun mal ein Gewohnheitstier. Der totgeglaubte Alltag der Pubertät steigt nach drei Tagen aus seiner finsteren Gruft. Er frisst alle Freude, Vorwürfe flattern wie Fledermäuse durch die Luft. Blitz und Donner manifestieren sich in kleinen Streitereien. Zum Glück bin ich inzwischen vernünftiger geworden und beherrsche die Kunst der Deeskalation wesentlich besser. Trotzdem blöd, weil 90% der Streitereien einfach überflüssig sind und auf Sturheit (von welcher Seite auch immer) basieren.
Nun habe ich beschlossen zur Guerillataktik zurückzukehren. Mehr oder weniger zum Glück bleibt mir ab demnächst ja eh nix anderes über. So freuen sich beide Parteien über besuche, es ist wieder etwas besonderes, und man nutzt die Zeit im guten alten Emsland um gepflegt durchzuatmen. Wie sagt man? Zu „entschleunigen“. Doch wie beim Beschleunigen gibt es eine Grenze. Dort nennt man es Höchstgeschwindigkeit. Hier ist es der Stillstand. Also: Kurz vor dem Stillstand noch mal voll aufs Pedal treten und bäck tu Essen.
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